Lob und Verriss
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Deanna Raybourn: Killers of a Certain Age
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Deanna Raybourn: Killers of a Certain Age

You slay! Queens!

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Frühling lässt weiter auf sich warten. Herr Falschgold hat mit Stephen Markleys "The Deluge" einen 900-Seiten-Endzeit-Brocken auf den Lesetisch geworfen. Anne Findeisen möchte uns an Ottessa Moshfeghs "Lapvona" heranführen, das in die tiefsten und abscheulichsten Abgründe des Menschen blickt und noch immer fällt draußen Schnee.

Wir wünschen uns also alle etwas Eskapismus weg von diesen exzellenten, aber auch sehr viel Kraft fordernden Lektüren und voilá: leider nur in englisch erhältlich, aber in schnörkelloser und leichter Sprache verfasst, die man erfassen kann, wenn man die wichtigsten Schimpfwörter kennt: "Killers of a Certain Age" von Deanna Raybourn.

A certain age ist ein Euphemismus der englischen Sprache, der anzeigen möchte, dass jemand nicht mehr jung ist. Verwendet wird er vorrangig für Frauen, wir erinnern uns, Männer werden nicht älter, sie reifen. Ha! Ein bestimmtes Alter, das also anzeigt, dass jemand die 40 überschritten hat, ist dem deutschen Euphemismus Junge Frau, der ausnahmslos Frauen verliehen wird, die jünger sind als man selbst, immer und unbedingt vorzuziehen. Warum, fragt ihr? Die alten Ladies freuen sich doch darüber?

Nein. Sie haben sich morgens vorm Spiegel die Haare gekämmt und wissen ziemlich genau, wie sie aussehen und halten jeden, der sie so nennt, für einen Dummkopf. Immer, wirklich. Sie wissen nur, dass man bestimmte Diskussionen gar nicht erst anfangen muss und seine Zeit besser verschwenden kann, deshalb lachen sie höflich und denken sich ihren Teil. 

Die Heldinnen Billie, Mary Alice, Helen und Natalie packen gerade ihre Sachen für eine all-inclusive Kreuzfahrt, die den Beginn ihrer Rente, finanziert als Dank von ihrem Arbeitgeber, markieren soll. Immerhin 40 Jahre waren sie im Dienste der Organisation Museum unterwegs. Und sind bezahlte Mörderinnen. Und auch noch stolz drauf. Denn die Welt ist eine schlechte, und es gibt böse Menschen. Jede kann sofort die Top 5 aufzählen, ohne die die Welt eine bessere werden könnte.

Einst Ende der 1970er angeheuert, haben sie zunächst Nazis umgebracht, die sich nach für sie ruhigen Jahrzehnten in Sicherheit wähnten, machten dann mit Diktatoren, Sklavenhändlern und so weiter. 

Schnell müssen sie erkennen, dass sie anstatt des verdienten Ruhestandes, dem sie mit einigem Bangen und auch schlechter Laune entgegenblicken, forciert das Zeitliche segnen sollen. In einem Kellner erkennen sie einen weiteren Killer ihrer Organisation, der mit vereinten Kräften um die Ecke gebracht wird und ihre drängendsten Fragen sind nun: Warum sollen sie umgebracht werden, und wer ist dafür verantwortlich?

Es entwickelt sich eine aufregende Story an pittoresken Orten, die sich mit Rückblicken auf die Biographien der 4 Protagonistinnen und ihre Leben abwechseln. Ihre Arbeit war einst eine einsame, doch nun werden ihre Freundschaften, die während ihrer Ausbildung entstanden, zu ihrer Lebensversicherung. Trockene Witze, schnelle Dialoge, schwarzer Humor, skurrile Ereignisse, eine leichtfüßige Sprache, überraschende Wendungen, ein hübsches Feuerwerk, das Deanna Raybourn für unseren Eskapismus abbrennt.

Was Billie, Marie Alice, Helen und Natalie entgegenkommt, ist zum einen die schon oft beschriebene zunehmende Unsichtbarkeit älterer Frauen, aber natürlich auch ihr jahrzehntelang angehäuftes Wissen und ihr Erfahrungsschatz.

Deanna Raybourns "Killer of a Certain Age" ist beste Unterhaltung, die die Herausforderungen des Alters und der Gesellschaft nicht unerwähnt lässt, unerwartete Einsichten bereithält und hintenrum durch die Brust ins Auge trifft.

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