Herr Falschgold
Der im Januar hier empfohlene britische Politik-Talk-Podcast “The rest is politics..” hat rechtzeitig zur anstehenden Horror-Shit-Show -”Wahl” in der absolut fucking großartigsten Demokratie, die man für Geld kaufen kann, einen amerikanischen Ableger aufgelegt. “The rest is politics US” heißt die einstündige Plauderei, die jeden Freitag in den einschlägigen Kanälen veröffentlicht wird.
Der Ansatz ist wie beim britischen Original weniger das minutiöse Berichten des Kopf-an-Kopf-Rennens als das Beleuchten des Drumherums. Das machen auf der britischen Seite Katty Kay, die für die BBC jetzt die vierte Präsidentschaftswahl betreut. Deren Englisch ist so posh, dass der Gesprächspartner von der anderen Seite des Altantik sich aktuell gar nicht mehr einbekommt, das aber reizend, denn er hat einen italienischen Namen samt Charme und kommt dabei aus dem gleichen New Yorker borough wie der republikanische Präsidentschaftskandidat. Anthony Scaramucci hat für ebendiesen Donald Trump im Weißen Haus gearbeitet, allerdings nur 11 Tage lang, in denen er dem orangen fucker so oft im Rampenlicht stand, dass dieser das nicht mehr aushielt und ihn feuerte. Denn “The Mooch” ist clever, klug und belesen aber überspielt diese Schwäche, wann immer er in den Medien auftritt mit einer Showmanship, wie man sie nur im Land des Showbiz findet. Er liefert eine Pointe nach der anderen und spielt den underdog, der es aus armen amerikanisch-italienischen Verhältnissen kommend, geschafft hat vs. die ach so poshe Britin, obwohl er wahrscheinlich 10x soviel Kohle auf den Seychellen hat. Die Vorhersagen der Beiden werden genauso stimmen wie vor acht Jahren oder auch nicht; darum geht es nicht, es ist eine semi-fundierte Stunde Unterhaltung im doppelten Sinne und damit keine vertane Zeit bis die Welt untergeht.
Das zu verhindern hat der in unserer kleinen Literaturshow sehr geliebte Don Winslow das Schreiben aufgegeben. Er hat vor 1-2 Jahren die letzten drei Bücher seines Lebens fertiggeschrieben und kämpft jetzt auf allen Kanälen nur noch dafür, dass Donald Trump nicht nochmal ins Weiße Haus einzieht. Wir finden das etwas extrem, aber am Ende liegen wir damit falsch. Die angeblich letzten drei Bücher von Don Winslow sind eine leichtfüßige und positiv klischeehafte amerikanische Mafiastory, soweit kann ich zumindest berichten, nachdem ich vor drei Jahren den ersten Teil gelesen hatte, “City on Fire”, bis ich mitbekam, dass das Ding noch zwei weitere Teile bekommen wird.
Ich habe traditionsgemäß sofort aufgehört zu lesen und geduldig gewartet, bis der letzte Teil rauskommt, was vor zwei Wochen passiert ist. Wenn der zweite und dritte Teil hält, was der erste versprach, ist es ein Fest von Slang und Ballerei und wenn der orange Scheißtyp dann an Arterienverkalkung auf dem goldenen Klo krepiert ist, schreibt olle Don dann hoffentlich/bestimmt/garantiert weiter, wir sind sicher. Die deutschen Übersetzungen sind wohl hervorragend, wie uns der größte Fan von Don Winslow, und Freund der Show Heiko Schramm (ja, der Link stimmt), versichert.
Apropos alte Musiker, Soundtrack zum Thema ist eine wirklich gelungene Überraschung: Kim Gordon (Sonic Youth etc.) hat ein absolut hammerproduziertes Ding rausgebracht. “The Collective” heißt es aufrecht, Jesus, ist das Ding gut. Hier ein Track, alle anderen sind genauso fetzig
Irmgard Lumpini
Kim Gordon hat vor ein paar Jahren ihre Autobiographie geschrieben, für den Fall, dass sich jemand dafür interessiert. Es ist seltsam unterkühlt, für Freundinnen der Musik gibt es eine Menge Namedropping und eine traumatische Familiengeschichte. Vielleicht eher für Fans…
Woran mich Herrn Falschgolds Musikempfehlung erinnert hat, ist das hier:
Als Soundtrack im Hintergrund zu Herrn Falschgolds Empfehlung vielleicht mal Lied Nr. 8 anspielen, das dürfte passen (für die Podcastempfehlung).
Es gehörte damals zum Soundtrack meines Sommers, als Carlo Giuliani in Genua erschossen wurde, bevor das World Trade Center in New York City durch Flugzeuge attackiert wurden und dann zusammenstürzten und sich die Welt danach änderte (das tut sie natürlich immer noch, wir wissen, dass es auch besser wird, wir empfinden es nur nicht unbedingt. Und machen wir uns nichts vor, gerade wird es wohl bald sehr viel schlechter, zumindest in our fair village).
Themenwechsel: In der Stadt habe ich die Plakate für die Neu(?)Verfilmung (oder ist es eine Fortsetzung) von “Planet der Affen” gesehen. Was soll ich sagen: da möchte ich rein! Kaum vorstellbar, dass die alten Filme der ursprünglichen Reihe mich wirklich verängstigt haben. Also so richtig, richtig. Warum es immer wieder Versuche der Neuverfilmung gibt scheint mit einem sicheren Einspielergebnis verbunden zu sein. Interessant aber herauszufinden, ob der schiere Horror der alten Filme auch nur ansatzweise erreicht wird. Wir sehen uns also bald im Kino!
Anne Findeisen
Von meiner Seite gibt es dieses Mal eine kleine Erinnerung an eine Autorin, deren Gedichte mich schon immer fasziniert und ergriffen haben, nämlich: Else Lasker-Schüler. Neulich stieß ich auf ihr Gedicht “Maienregen”, das ich selbst schon völlig vergessen hatte, da ich mich schon länger nicht mehr mit ihren Gedichten befasst habe. Also nehme ich den ganz kürzlich zurückliegenden Mai und ihr Gedicht zum Anlass, an die Dichtern Else Laker-Schüler und ihr Werk zu erinnern, oder erstmals damit in Berührung zu kommen.
Maienregen
Du hast deine warme Seele
Um mein verwittertes Herz geschlungen,
Und all seine dunklen Töne
Sind wie ferne Donner verklungen.
Aber es kann nicht mehr jauchzen
Mit seiner wilden Wunde,
Und wunschlos in deinem Arme
Liegt mein Mund auf deinem Munde.
Und ich höre dich leise weinen,
Und es ist - die Nacht bewegt sich kaum -
Als fiele ein Maienregen
Auf meinen greisen Traum.