Mixer, Januar 2024: Unsere schnellen Empfehlungen für zwischendurch.
Politikpodcast (britisch), japanische Buchhandlungen (unser Lieblingsort) und das Altern (wer liebt es nicht)
Herr Falschgold
Das Jahr 2024 droht unübersichtlich zu werden. Zur Abwechslung einmal mit Ansage, gibt es doch Wahlen in allen Teilen der Welt und alle haben Angst. Angst vor Trump, Angst vor der AFD - und vergessen dabei, dass die Welt sich nicht deterministisch zum Schlechteren wendet, sondern im allgemeinen besser wird, wir hatten da mal eine tolle Buchvorstellung zum Thema, Frau Lumpini sei dank.
Wer da den Überblick verliert, kann sich in den einschlägigen deutschen Tageszeitungen und Wochenmagazinen das zusammenfassen und einordnen lassen, was man vor zwei Tagen auf Twitter, X äh.. Mastodon überflogen hat. Das nennt man dann über den Tellerrand hinausblicken. Zwei, die das professionell machen und dennoch kind of unabhängig sind und zudem den großen Vorteil haben, in einem anderen Teller zu sitzen, als wir, nämlich, dem britischen, sind Alastair Campbell und Rory Stewart. Diese beiden unterhalten sich ein bis zwei mal die Woche in einem Podcast über “The rest ist politics”. Der Reiz ist, neben der englischen Kunst des perfekten Plauerns und, zumindest auf Seiten von Rory Stewart, des feinsten Oxford-English überhaupt, dass die beiden Protagonisten für Puristen auf beiden Seites der politischen Gräben gleich unakzeptabel sind: Alastair Campbell war der Spindoctor von Tony Blair und Rory Stewart ist ein weltoffener Tory, der, nach eigener Aussage, alles an seinerm Land, seiner Geschichte und seinen Institutionen liebt, bis er mit ihnen in Kontakt kommt und er sie sofort über den Haufen werfen möchte. Dazu hatte er schon sehr viel Gelegenheit. Aufgewachsen ist er in Hongkong, dann besuchte er Eton, also dort wo nahezu alle britischen Prime-Minister herkommen. Nur dass er dort, wie er kürzlich in der Podcast-Episode zum Tod Henry Kissingers erzählte, er diesen einmal ordentlich belegt hat. Ok, als Fünfzehnjähriger. Er war dann als Diplomat auf der ganzen Welt unterwegs, bis hin zu verschiedenen Ministerämtern unter David Cameron und Theresa May. Wie radikal die aktuelle britische Regierung ist, zeigt, dass ihn das aktuell für alle Ämter disqualifiziert und so können beide Hosts unbeschwert über nationale und vor allem internationale Themen sprechen.
Die enorme Wissensbandbreite angefangen von Politikkommunikation auf Seiten von Alastair Campbell über den simplen Fakt, dass die beiden zusammen schon so jeden Staatsmann der 1. und 2. Ebene getroffen und gesprochen haben, hin zum immensen Wissens über die Welt auf Seiten des Diplomaten(-sohns) macht die Sendung zu einem Vergnügen, es vergeht keine Minute ohne dass man “Ah, stimmt, da war ja was” vor sich hinmurmelt, ohne eine Einordnung von Ereignissen, oft fern von uns, die uns trotzdem tangieren (sollten) und da beide überzeugte Europäer und Internationalisten sind und Alastair Campbell, den man eigentlich ob seiner Rolle im neoliberalen Blairkabinett hassen müsste, perfekt Deutsch spricht (und liest) ist das alles eine Veranstaltung, die man lieben muss.
Anne Findeisen
Wer in diesen trüben Tagen Kurzweil und Zerstreuung sucht und wenigstens für ein paar Stunden den Wirren des Alltags entfliehen möchte, der möge seinen Blick gen Japan richten. So habe ich es getan und mich meiner ersten Japan-Lektüre des neuen Jahres gewidmet. Dem einen oder der anderen geneigten Leserin ist der Autor Satoshi Yagisawa und dessen Roman „Die Tage in der Buchhandlung Morisaki“ vielleicht ein Begriff, da es international bereits in den Bestsellerlisten zu finden ist.
Es spielt in Jimbōchō, dem größten Bücherviertel Tokios, das gleichzeitig das größte Bücherviertel der Welt ist und das viele Antiquariate beherbergt.
Der Onkel unserer Protagonistin Takako ist Besitzer eines solchen und in selbigem findet sie Unterschlupf, in einer für sie erschöpfenden Zeit. Es ist nicht nur ein relativ kurzer, sondern auch ein kurzweiliger Roman, in dem es um die Liebe zur Literatur geht. Aber auch darum, wieder zu sich selbst zu finden, zu erkennen wer man ist und was man will.
Ruhig und unaufgeregt erzählt, bietet es eine gute Möglichkeit, dem Trubel des Alltags für ein paar Stunden den Rücken zu kehren.
Irmgard Lumpini
Politik und Literatur haben die Kollegen schon abgedeckt, da bleiben ja nur noch Alter und Krieg. Puh. Alter. Ok, also zum Alter:
“How to Age: The School of Life” ist ein kleines, augenöffnendes, sehr schön zusammengestelltes Werk über die Angst vorm Altern und den damit verbundenen Weigerungen, sich offenen Auges damit auseinanderzusetzen. Aber auch die duften Seiten des höheren Alters, in das wir ohne jedes Zutun geraten. Was wir draus machen, ist natürlich eine andere Sache.
Wer sich dem Ganzen eher über die subjektiven Erzählungen diverser Menschen nähern möchte, kann sich den Substack-Newsletter von Sari Botton abonnieren. Es gibt verschiedene Formate, die auf Oldster Magazine veröffentlicht werden.
Ganz fantastisch ist dort die Reihe “This is XY”, wobei XY das Alter der befragten Person ist. Und das kann unter Umständen jünger sein als man selbst oder auch sehr alt, denn es geht darum zu beleuchten, wie die/derjenige so auf bestimmte Punkte seines Lebens schaut, und: wir alle - egal an welchem Punkt wir gerade sind - werden nunmal older. Das bedient zum einen einen schönen Voyeurismus, weil die Menschen ja selbst entscheiden, was sie preisgeben, und wenn das dann sehr interessante, mitunter auch sehr bekannte Menschen sind, von denen man sich inspirieren lassen kann, dann umso besser. Anders als mittlerweile eine ganze Menge auf Substack veröffentlichte Blogs kann man sehr viel davon ohne extra Abo lesen. Krieg ist dann beim nächsten Mal.