Es ist nicht immer leicht in unserer barocken Stadt. Überall auf der Welt ist sie berühmt, aber wie überall auf der Welt sieht die Stadt für Tourist*innen anders aus als für diejenigen, die hier leben.
Hilfreich dabei ist: How To Live in the City. Es packt die ganzen Widersprüche zwischen 2 Buchdeckel (oder das elektronische Lesegerät eurer Wahl) und macht ein paar überraschende Vorschläge.
Aber nicht nur in diesem Buch taucht der Tipp auf, seine (städtische) Umgebung von Zeit zu Zeit wie ein Tourist zu betrachten, also dahin zu gehen, wohin Touristen auch gehen. Ins Museum.
Einen anderen Tipp habe ich von der erfolgreichen (und mitunter leicht nervigen) Gretchen Rubin, die aber dann doch immer wieder inspirieren kann. Sie wohnt in einer der aufregendsten und ikonischsten Städte der Welt überhaupt. (ja, es ist New York City).
Jedes Jahr schreibt sie einen neuen Plan, der die Anzahl der Vorsätze und Pläne anhand der neuen Jahreszahl bestimmt: dieses Jahr also “24 in 24”. Und sie besucht seit einigen Jahren JEDEN TAG das Metropolitan.
Aber kein Grund neidig zu sein, immerhin sind wir hier ja in Dresden und nehmen Tipps dankbar an und schreiben auf unsere “24 in 24” Liste: aller 2 Wochen ins Museum. Wie die letzten Jahre habe ich eine Jahreskarte für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das ist überhaupt eine der besten Sachen, die man sich in Dresden kaufen kann. Zwar ist sie letztes oder vorletztes Jahr von 50 Euro (wirklich ein Schnapper) plötzlich auf 75 Euro gestiegen, aber da mittlerweile jede der Ausstellungen (mit Ausnahme des grandiosen Japanischen Palais, welches immer kostenfrei geöffnet ist) zwischen 12 und 14 Euro kostet, ist das auch wieder schnell rein.
Und das Beste daran ist: man kann wie eine Touristin eine der Ausstellungen besuchen, was dufte ist, weil üblicherweise gut kuratiert, interessant und spannend, oder: man geht einfach durch die Stadt spazieren und sieht sich die Baustellen an und schneit dann für 20 Minuten in eines der Museen und schaut sich an, was man beim letzten Mal besonders dufte fand oder noch nicht geschafft hatte.
Diese Beiläufigkeit, mit der man sich einen kleinen Teil anschaut, anstatt für die Tageskarte nun möglichst auch alles in kürzester Zeit zu sehen ist das, was es für mich besonders macht. Und natürlich sieht man bei mehreren kurzen Besuchen mehr als bei einem langen, klar.
Wenn man von der Neustadt aus über die Hauptstraße in die Altstadt flaniert und feststellt, dass man keine Lust auf windige Brücken hat, kann man nun in das Archiv der Avantgarden (und ist es nicht schon der Kracher, dass der Name “Avantgarde” in der Mehrzahl trägt) gehen, ein famoses wunderschönes abgefahrenes Gebäude, in dem noch bis zum 1. September “Archiv der Träume - ein surrealistischer Impuls” gezeigt wird. Ein Sujet, von dem ich nicht wusste, dass es mich besonders interessieren würde, und dann war das alles sehr aufregend. Eine herausfordernde Ausstellung, die mehr Text als Bild , aber auch Lee Millers in Hitlers Badewanne zeigt, und schon diese Verbindung von Traum und Antifaschismus ist so überraschend und schön, hach. Hintenraus im Garten an der Elbe kann man dann noch einen Kaffee trinken, und den Touristen ist dieses Haus noch nicht so richtig bekannt (oder sie schauen sich erstmal den offensichtlichen Prunk an).
Letztes Wochenende hatte ich Sonntag einen Ausflug gemacht und hatte vor der Verabredung zum Abendbrot noch etwas Zeit, weshalb ich noch kurz eine Ausstellung zu Pest und Cholera anschauen wollte, die an diesem Tag letztmalig im Münzkabinett gezeigt wurde. Dort war ich noch nie gewesen und kam auf dem Weg dahin durch die Rüstkammer. Eine für mich wahrhaft surreale Ausstellung, die etwas von James Bond Movies hat und ein dezentes OMG provoziert:
Ja, das sind Kinderrüstungen.
Und ja, es ist dezent obszön, wie eine Prunksammlung die Zeiten überdauert, ohne ein Wort zu denen zu verlieren, mit deren Arbeit und Leben diese gekauft und bezahlt wurden.
Aber gut: hier eine Münze aus der Pest- und Cholera-Ausstellung, die in einem überraschend kleinen Raum untergebracht war.
Auf dem Weg dahin ging es durch den “kleinen Ballsaal”, der bis auf ein Puppentheater, welches man selbst bespielen darf, leer ist.
Hier ist ein Blick in den Großen Ballsaal, der gerade saniert wird.
Und wenn man sich durch diese Räume bewegt, steht man ganz plötzlich genau oberhalb und vor der Augustusbrücke.
Weil man sich genau hier befindet (über dem Georgentor, 2. Stock).
Das Beste an einem Museumsbesuch an einem Sonntagnachmittag ist natürlich, dass (fast) keine Menschen da sind. Die Luft ist kühl, während draußen die Spiegeleier auf dem Pflaster gebraten werden. Und die Ordner sind teilweise gelangweilt, so dass sie einem ein paar Sachen erzählen, die sie im Laufe der Jahre über die Gebäude gelernt haben.