Mixer Januar 2025: Nerds, Fotografie und Lyrik
So sieht doch kein Rosenkohl aus! Diese Farben! Dieses zarte Grün!
Herr Falschgold
Es ist Januar, in unseren Breitenkreisen der dritte oder vierte Monat in grau, keine schöner. Ich habe das schon immer anders gesehen: nach dem Weihnachtsstress verspricht der Januar endlich Ruhe. Keinerlei Verpflichtungen mehr. Kein Weihnachtsessen wird mehr gemacht oder auch nur besucht, die Hälfte der Weltbevölkerung macht alkoholfrei, die andere Hälfte darf kein Fleisch mehr essen, weil zu viel Weihnachtsessen gemacht und besucht. Jetzt trinken nur noch die Profis in der Kneipe. Es kehrt Ruhe ein. Aus der Seele also spricht mir dieser Artikel eines Kleinstauflagen-Magazins aus Soho, London: The Fence. Das Viermalprojahrblatt bringt nach eigener Aussage nur Artikel raus, die absolute Knaller sind. Ich kann das bestätigen und habe mich mal für ein Jahr digital verpflichtet. Ja, das Ding wird gedruckt und sieht in Papier genauso spektakulär aus wie auf Website. Ein paar Artikel hat man, wie das üblich ist, frei.
Was mir im Januar lieb gewordene Tradition ist: Abnerden! Ende Dezember lädt jedes Jahr der ChaosComputerClub zu einem Event, bei dem ich, gottbehüte, schon olfaktorisch nicht anwesend sein möchte, der aber zu großen Teilen gefilmt und auf YouTube (und media.ccc.de) veröffentlicht wird. Die Vorträge über IT-Probleme, die 99% der Weltbevölkerung für minimale Nischensorgen halten, bis sie auf spiegel.de von einem Hack lesen, der dazu führt, dass man jetzt auf GoogleImage nach den eigenen Darmspiegelungsbildern suchen kann, sind für diese 99% komplett unverständlich. Ich gehöre, Segen oder Fluch, zu den 1%ern und habe auf dem Youtube-Kanal des CCC Futter bis in den Juni. Für alle anderen gibt es wunderbarerweise einen Haufen hervorragend verständlicher Vorträge philosophischer, soziologischer oder auch nur “interessanter” Natur. “Interessant” wie in “Wir werden alle störben”:
Zurückkehrend zu breitengradenspezifischen Themen, aufgrund Klimakatastrophe findet man dieses Wunderwerk der Natur oft erst in diesem Monat auf den Wochenmärkten.
Also:
Köhlchen abdrehen, kein Putzen nötig.
in eine Reine. (normale Menschen sagen “Bräter”. Österreicher “Kasserolle”. Kurz: irgendwas aus Metall, wo was reinpasst)
Olivenöl drauf.
Oregano drauf.
Salz ohne Ende drauf.
In den Ofen, volle Pulle.
Ab und an umrühren.
Nach 30-45 Minuten ist der Januar grün-gelb-braun und ein schöner.
Irmgard Lumpini
Geschenke! Enorm wichtig, sie anzunehmen. Vor einigen Monaten war ich in Tallinn und sah zufällig eine Ausstellung von Omar Victor Diop. Er erschafft Fotographien/Tableaus, in denen er Situationen kreiert oder Situationen mit historischer Signifikanz nachstellt und mit unglaublich satten Farben unsere Aufmerksamkeit auf Geschichte, Vergangenheit, Gewalt, kulturelle Ignoranz und Kunst lenkt und diese in andere Kontexte ver-rückt.
Hier seht ihr ein kurzes Video mit einem Statement dieses außergewöhnlichen Künstlers, hier findet ihr weitere Bilder und Informationen: Galerie MAGNIN-A.
Seine Werke sind für unsereins nicht bezahlbar und im Museum sehen sie eh besser aus, deshalb habe ich folgendes Buch erworben und schaue ehrfurchtsvoll, ergriffen, erschrocken, erstaunt und voller Freude hinein:
Anne Findeisen
Das neue Jahr ist noch jung, doch bisher hat es leider, in vielerlei Hinsicht, nicht viel Positives zu bieten. Lasse ich meinen Blick nach Kalifornien schweifen, muss ich unweigerlich an “Blue Skies” denken, T.C.Boyles im letzten Jahr veröffentlichter Roman, der doch schneller Realität zu werden scheint, als gedacht. Vielleicht kann die Lyrik uns helfen uns zu besinnen und Kraft zu schöpfen. In diesem Sinne:
Wolf Biermann: Ermutigung
Du, laß dich nicht verhärten
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.
Du, laß dich nicht verbittern
in dieser bitt'ren Zeit.
Die Herrschenden erzittern
- sitzt du erst hinter Gittern -
doch nicht vor deinem Leid.
Du, laß dich nicht erschrecken
in dieser Schreckenszeit.
Das woll'n sie doch bezwecken
daß wir die Waffen strecken
schon vor dem großen Streit.
Du, laß dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen
grad deine Heiterkeit.
Wir woll'n es nicht verschweigen
in dieser Schweigezeit.
Das Grün bricht aus den Zweigen,
wir woll'n das allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid