Let's Talk About Poetry: Mascha Kaléko
"Mein schönstes Gedicht? Ich schrieb es nicht. Aus tiefsten Tiefen stieg es. Ich schwieg es."
Vor genau 50 Jahren starb die wunderbare Dichterin Mascha Kléko, die zu den bedeutendsten Lyrikerinnen der Neuen Sachlichkeit in Deutschland gehörte und mittlerweile zwar vielen Menschen bekannt ist, aber nach meinem Empfinden doch immer noch im Schatten einiger ihrer männlicher Zeit- und Berufsgenossen steht. Mehrere gute Gründe, sich ihr einmal wieder zu widmen, schließlich ist auch ihr Werk prägend für die Zeit der Weimarer Republik, in der sie so vielen Großstädtern mit ihren Texten aus der Seele sprach. Sie selbst hatte eine bewegende Geschichte die zu erfahren ich unbedingt die von Jutta Rosenkranz verfasste Biographie mit dem schlichten Titel Mascha Kaléko empfehlen kann, in der sie die verschiedenen Etappen von Kalékos Leben, beginnend in Polen und endend in Jerusalem, beschreibt. Kalékos erster Lyrikband Das lyrische Stenogrammheft erschien 1933 und beinhaltet auch das Gedicht, das, zumindest vom Titel, passender heute nicht sein könnte.
Osterspaziergang
Ganz unter uns: Noch ist es nicht so weit.
Noch blüht kein Flieder hinterm Heckenzaune.
Doch immerhin: Ich hab ein neues Kleid,
Bürofrei und ein bißchen Frühlingslaune.
Was hilft uns schon das ganze Trübsalblasen –
Da weiß ich mir ein bessres Instrument.
Ich pfeife drauf... Mich freut selbst kahler Rasen.
Und auf das Frohsein gibt es kein Patent.
Mich fährt die Stadtbahn auch ins freie Feld,
Mir weht der Märzwind gleich den Weitgereisten.
Ich hab mein‘ Sach‘ diesmal auf nichts gestellt. –
Das kann man sich noch leisten.
Blau ist der Himmel wie im Bilderbuch.
Die Vögel zwitschern wie in Frühlingsträumen.
Herb mischt die Waldluft sich mit Erdgeruch
Und frühem Duft von knospig reifen Bäumen.
Die Sonne blickt schon ziemlich intressiert.
Und wärmt beinah. - Doch, während ich sie lobe,
Verschwindet sie, von Wolken wegradiert.
Es scheint, sie scheint nur Probe.
Ganz unter uns: Noch kam der Lenz nicht an,
Obgleich schon Dichter Frühlingslieder schrieben. –
Erst wenn man frei auf Bänken sitzen kann,
Dann wird es Zeit, sich ernstlich zu verlieben...