Als(o), Wie?!
Ein Wortbeitrag zur regelgerechten Verwendung kleinster Worte oder: Herr Falschgold fühlt.
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Kürzlich saß mir meine Kollegin Anne Findeisen gegenüber, kurz vor der Aufzeichnung unserer Diskussionsrunde, und gestand mir, daß sie meine Rezenzionen ins Herz träfen. Sie spüre eine physische Reaktion, wann immer sie die Worte “wie” und “als” in diesen lese und ich diese beiden Konjunktionen mit beeindruckender Konstanz falsch verwende.
Der alte weiße Mann in mir antwortete ohne groß nachzudenken (wie anders): “Quatsch”, und der andere alte weiße Mann schob hinterher: “Kunst”, und wer denkt, daß die Sache damit erledigt sei, hat noch keine Studio B Diskussion gehört.
Wir schauten einige Beispiele durch, wir googelten (der Laie) und erinnerten (die Studierte) und beschlossen Vertagung samt Recherche.
Recherche im September 2023 bedeutet ChatGPT, da machen wir uns nichts vor, und der Automat meinte, daß mein (Teil-)Satz
Es ist sowohl in der englischen wie der deutschen Ausgabe einer vorn drauf..
für Verwirrung sorgen könne und schlug vor nicht nur konkret zu sagen, was denn vorn drauf sei, ok fair, sondern auch das “wie” durch ein “als auch” zu ersetzen. Das ist wenig überraschend, ist ein LLM wie ChatGPT, aktuell umgangssprachlich wie falsch “AI” genannt, doch nicht viel mehr als ein Kompressionswerkzeug, ein Schraubstock, eine Gleichung, die einem, wenn man nur lange genug bettelt, Shakespeare in einem Absatz zusammenfasst. Und wenn man nicht aufhört damit, in 10 Worten. ChatGPT gibt hier lediglich die offizielle Postion des Dudens wieder, mundgerecht auf die konkrete Fragestellung geschnitten. Jedoch beinhaltet die Roboterantwort eine ähnliche Beschwerde wie Anne Findeisens initiales Geständnis, nämlich, dass die falsche Verwendung der beiden Worte Gefühle auslöse: Verwirrung beim Automaten, Schmerz beim Menschen.
“Das gibt das Verhältnis der beiden Gattungen zueinander recht gut wieder”, sagte ich mir, “da haben wir doch was gelernt.”
Nicht ganz unclever (aber auch nicht wirklich intelligent) habe ich in diesem Text hier die gleiche Unsatzbildung nochmal eingebracht, aber auch beim obigem Satz:
ist ein LLM, aktuell umgangssprachlich wie falsch “AI” genannt..
kommt ChatGPT mir mit vermeintlichen Unklarheiten und dem so prosaischen Verbeserungsvorschlag:
"ist ein LLM, der aktuell sowohl umgangssprachlich als auch fälschlicherweise als 'AI' bezeichnet wird”.
Ich habe verstanden, Unklarheiten sind zu vermeiden, zumindest für den Automaten, der hat genug Probleme mit uns Menschen und unserer Dummheit, wie wir doch die Maschinen ignorieren, bis das Schnitzel in Alufolie die Mikrowelle sprengt. Kaufen wir neu.
Nun, Maschine darf sich gerne ignoriert wissen und seitlich legen, Anne Findeisen jedoch bereiten meine sprachlichen Eigenmächtigkeiten Schmerzen. Das kann man nicht wollen. Statt die Sache aber einzustellen, ich weiß schließlich, dass sowohl Anne als auch die Maschine qua Duden recht haben, muss ich doch mansplainen, warum ich in Rezensionen wie auch diesem Beitrag das Wort “wie” dem Wort “als” vorziehe.
Es geht um Gefühle. Männer reden da nicht so gern drüber, weshalb wir uns lieber hinsetzen, breitbeinig, dicke Eier, und erklären, was richtig und falsch ist. Richtig ist, dass ich fühle, dass “wie” ein Wort ist, welches in der Zeit lebt, es ist nicht so absolut, wie das vorher vom nacher trennende “als”, es lässt - mir als Schreibendem, Dir als Lesender - den Hauch Ambivalenz, wann etwas passiert ist und damit das kleine Stück Freiheit, selbst in einem so nebensächlich wie minimalen Nebensatz die eigene Phantasie zu aktivieren.
Das klingt wie großer Pups und ist es bestimmt auch, kann aber zum simplen Aussagesatz zusammengefasst werden: “Mich ekelt’s vor dem Worte ‘als’”. Es klingt wie Hals, auch kein schönes Körperteil oder “falls”, eine Unsicherheit, vor der mir graut. Alltagslyrisch:
Es ist ein Wort des Verfalls/
schon damals/
nein niemals/
will ich es verwenden. /
Auf “wie” soll’n meine Konjunktionen enden!
Meine Gefühlslage ist geklärt, sprechen wir nie wieder drüber. Und kommen zum moralischen Dilemma, einer Fragestellung, die aus einem schnöden Wortbeitrag ein Essay macht:
Muss ich mir als Autor Schmerzen bereiten, regelgerecht zu schreiben, damit die lesende Anne keine Pickel bekommt?
Aber damit das mansplaining ein Ende hat, wird dieses Essay von Anne Findeisen am nächsten Sonntag geschrieben oder aber eine heiße Diskussion draus in deren drei. Und am Ende muss Irmgard gar den Rezensentenstreit schlichten!
Wir lernen ja jede Woche neue Seiten an uns kennen.